Des Kaisers Baumeister
Text: Lars Thieleke
AH-Treffen beim Rekordmeister: Architekt Tom Ferster, Bauleiter Christoph Eisenhut und RAICO-Gründer Albert Inninger begehen das Gelände des FC Bayern München und blicken auf ihre gemeinsamen Bauprojekte an der Säbener Straße zurück. Dabei erklären sie, was es mit dem „Kirchenfenster“ und der „Kahn-Klappe“ auf sich hat und wie das Urteil des Kaisers ausfiel. Startpunkt: die berühmte Eingangsfassade.
Tom Ferster: Schaut immer noch gut aus, oder? Mit ihr ging alles los. Wie lange ist das jetzt her?
Christoph Eisenhut: Es war 1989, als wir die runde Glasfassade errichtet und das Verwaltungsgebäude umgebaut haben.
Albert Inninger: Das kommt hin. Ich weiß noch, wie ich ein paar Jahre zuvor meinen Bayern-Fanclub gegründet hatte. Wir wollten einen vernünftigen Fanclub und keinen, bei dem die Leute Krawall machen. Das hat Uli Hoeneß gefallen. So habe ich ihn kennen gelernt und auf einer Weihnachtsfeier von den geplanten Umbauten und der Ausschreibung erfahren. Ich wollte das Projekt unbedingt. Für meinen FC Bayern zu arbeiten, war für mich das Größte. Als ich die Ausschreibung gewonnen und den Auftrag bekommen hatte, war ich auf Wolke sieben.

Tom Ferster: Bei uns lief es ziemlich entspannt. Jeder Architekt sollte einen Entwurf zeichnen, so wie er sich die Eingangsfassade eben vorstellt. Also habe ich meine Skizze eingepackt und habe sie Franz Beckenbauer, Fritz Scherer, Kurt Hegerich und Vizepräsident Hans Schiefele vorgelegt. Fritz Scherer hat zu meinem runden Entwurf gesagt: „Das schaut ja aus wie’s Hofbräuzelt auf dem Oktoberfest.“ Ein Bekannter nannte es kürzlich das „Kirchenfenster“. Die meisten anderen Architekten hatten viereckige Kisten gezeichnet, so weit ich mich erinnere. Ich wollte etwas anderes machen, um ins Gespräch zu kommen.
Albert Inninger: War das etwa der Grund dafür, dass dein Entwurf rund und nicht eckig ausfiel?

Tom Ferster: Vor allem wegen der Spannung im Fußball, die ich in das geradlinige Gebäude übertragen wollte. Und ich wollte das runde FCB-Emblem darin unterbringen. Mir ist am Zeichentisch aufgefallen, dass ich das Bayern-Emblem unwahrscheinlich schön finde, ich halte es für eines der schönsten Embleme für einen Fußballclub. So hat die jahrelange Zusammenarbeit mit dem FC Bayern begonnen. Ich habe die künstlerische Leitung vieler Projekte gemacht und Christoph die Bauleitung. Und du hast die Elemente geliefert, Albert.
Albert Inninger: Ich werde nie vergessen, was damals geschah, als die fertige Glasfassade auf die Baustelle kam! Der Monteur zog sie hoch, und ich sagte: „Da stimmt was nicht. Irgendetwas stimmt da nicht.“ Und plötzlich dämmerte es mir: Die Raute im Emblem verlief nicht von links unten nach rechts oben, sondern genau umgekehrt!
Christoph Eisenhut: Das hab ich ja gar nicht gewusst!
Albert Inninger: Ich dachte: Gott sei dank, ist mir das aufgefallen, bevor es die Bild-Zeitung erfährt. Diese falsche Scheibe steht heute bei mir im Keller. Vielleicht lasse ich sie irgendwann mal in meinen Wintergarten einbauen.

Tom Ferster: Man sollte sie unter Denkmalschutz stellen. Ich weiß noch, als wir die Baracke weggebrochen haben, in der Franz Beckenbauer als Spieler nach dem Training immer geduscht hatte. Die hätte auch unter Denkmalschutz gehört.
Christoph Eisenhut: Und deine Schießscharten auch.
Tom Ferster: Du meinst die sehr schmalen Fenster?
Christoph Eisenhut: Richtig. Da habe ich mich gefragt: Warum lässt du keine gescheiten Fenster einsetzen und bestehst auf deine Schießscharten?
Tom Ferster: Ich wollte, dass das Verwaltungsgebäude und das Leistungszentrum in der gleichen Optik gehalten sind und eine Einheit bilden. Und das Proficenter, in dem sich die Spieler umziehen und auch das Ermüdungsbecken steht, brauchte nun mal einen geschlossenen Charakter. Daher die Schießscharten, denn so können die Paparazzi nicht in die Kabine schauen.
Christoph Eisenhut: Wir sind damals nach Eindhoven und bis nach England gefahren, um uns andere Trainingsgelände anzuschauen. Aber die waren alle direkt am Stadion und nicht wie beim FC Bayern eigenständig.
Tom Ferster: Ich erinnere mich auch noch, wie ich die ersten Schränke der Umkleidekabine für den Schreiner selber gezeichnet habe. Dafür habe ich damals mit dem Betreuer gesprochen und der sagte: „Du musst die Schränke oben schräg machen, sonst lassen die Spieler ihre gebrauchten Unterhosen darauf liegen.“ Das habe ich auch gemacht. Und der Hausmeister bestand auf einen Generalschlüssel für die Schränke und hat mich gebeten, nicht nur Zahlenschlösser, sondern auch „Schlüsselschlösser“ dafür einzurichten. Er meinte, dass nach jedem zweiten Training irgendein Spieler klagte: „Ich kriege mein Schloss nicht auf, hab meine Zahlen vergessen.“
Albert Inninger: Ist nicht dein Ernst!
Tom Ferster: Und ob! Wir haben sogar genau überlegt, welchen Weg die Spieler zurücklegen, wenn sie vom Trainingsplatz kommen. Noch heute werfen die Spieler auf dem Weg in die Kabine ihre schmutzige Wäsche in die Wäscheklappen. Eine Klappe für Wäsche, eine für Schuhe. Und wenn damals Lothar Matthäus zu seinem Schrank kam, hing da ein frischer Bademantel für ihn. Aber ich glaube, das hat sich heute alles geändert.
Christoph Eisenhut: Was heißt heute? Vieles hat sich ja noch während des Bauens geändert! Ins Proficenter sollte ursprünglich ein Aufenthaltsraum integriert werden, eine Art Restaurant, in dem man bei Europapokalspielen Real Madrid empfangen wollte. Und dort sollte auch der Shop auf 20 Quadratmetern mit ein paar Schals und Mützen mit rein. Noch bevor das Restaurant fertig war, war der Shop schon so groß, dass das Restaurant wieder rausgerissen wurde. Wenn man bedenkt, dass das heute alles im Service Center auf etwa 500 Quadratmetern geschieht …
Tom Ferster: Stimmt. Die Umbauten liefen permanent. Immer wenn ein neuer Trainer kam, zum Beispiel damals bei Jürgen Klinsmann, gab es neue Vorstellungen. Hast du von dessen Zeit als Spieler eigentlich auch ein Trikot in deiner Sammlung, Albert?
Albert Inninger: Ich habe seit 30 Jahren von jedem Jahrgang zwei bis drei Trikots, aber von Jürgen Klinsmann habe ich keines. In den letzten Jahren habe ich immer ein Trikot von Franck Ribery genommen. Mein absoluter Lieblingsspieler.
Christoph Eisenhut: Wart ihr damals bei der Grundsteinlegung unseres ersten Projekts dabei? Die Feier, nach der wir die Eingangsfassade und das Verwaltungsgebäude gebaut haben? Da waren Spieler wie Manni Schwabl und Radmilo Mihajlovic anwesend. Und natürlich Jupp Heynckes! Der war damals Trainer.

Tom Ferster: Jupp Heynckes habe ich stets als überaus sympathischen und bescheidenen Mann wahrgenommen.
Christoph Eisenhut: Absolut. Und Klaus Augenthaler werde ich auch nie vergessen, ein absolutes Unikat. Das gibt es heute leider immer seltener.
Tom Ferster: Es ist schon eine andere Zeit heute. Allein der Kartenvorverkauf. Heute geschieht das alles online.
Christoph Eisenhut: Damals war der Kartenvorverkauf im Ursprungsgebäude in der Säbener Straße 51, und zwar im ersten Stock. Wenn ein Europapokalspiel anstand, waren da lange Schlangen durchs Treppenhaus bis auf die Straße. Als wir das Verwaltungsgebäude aufgestockt haben, mussten wir uns durch die Schlangen zwängen und wurden böse angeschaut, weil alle dachten, wir wollten uns vordrängeln.
Albert Inninger: Der Umbau lief während des Vorverkaufs?
Christoph Eisenhut: Das ganze Treppenhaus mussten wir aufbohren! Aber wir durften lärmintensive Arbeiten nicht während der normalen Bürozeiten des FC Bayern durchführen. Wir durften von 6 bis 9 Uhr Krach machen und von 16 bis 22 Uhr. Und gerade, als ich stolz darüber war, wie wir unter den Umständen schon vorangekommen waren, da kam der Franz Beckenbauer aus New York zurück und sagte: „Wie lang braucht ihr denn noch für diese Aufstockung? In New York bauen sie in der Zeit ein ganzes Hochhaus.“ Der Kaiser. Der war immer zu Scherzen aufgelegt und immer freundlich, eine tolle Eigenschaft.

Albert Inninger: Das gibt’s doch nicht, der Franz. Das waren schon bemerkenswerte Umstände.
Tom Ferster: Christoph, hast du mit Albert während der Bauprojekte eigentlich sehr eng zusammengearbeitet?
Christoph Eisenhut: Albert hat mir den Rücken freigehalten. Wenn es bei ihm Probleme gegeben haben sollte, dann hat er sie nicht an mich herangetragen. Allein die Logistik. Diese Glasscheibe auf der Baustelle ohne Kran zu verbauen, das hat er einfach erledigt. Anderen musst du dreimal am Tag in den Hintern treten, damit sie etwas tun. Auf Albert konnte ich mich immer blind verlassen. Er war auch dann stets ein guter Ansprechpartner für mich, wenn er persönlich nicht betroffen oder beauftragt war. Er hat mich immer gut beraten. Ein guter Partner am Bau.
Tom Ferster: Wir kannten uns ja vorher schon, aber Albert haben wir erst bei dem ersten Projekt für den FC Bayern kennen gelernt.
Christoph Eisenhut: Genau. Er war damals schon Weltmeister in Glasfassaden, während das für uns noch relatives Neuland war. Wir haben uns eng ausgetauscht und ich habe mich gefreut, dass ich einen hochkompetenten, zuverlässigen Partner hatte, der obendrein auch mit dem FC Bayern eng verbunden war. Wir haben jedes Mal über Fußball geredet.

Tom Ferster: Am liebsten gemeinsam im Olympiastadion. Wir hatten VIP-Karten, und Albert hatte ja eh seine Dauerkarte. Wir haben bei fast jedem Spiel ein Bier zusammen getrunken.
Christoph Eisenhut: Er wollte seinen FC Bayern nicht enttäuschen, und genau solche Leute wollten wir natürlich haben.
Albert Inninger: Es war für uns alle eine absolute Herzensangelegenheit. Ihr habt ja noch viel mehr gemacht. Bei einigen Umbauten war ich ja gar nicht nötig.
Tom Ferster: Kennst du die Kahn-Klappe?
Albert Inninger: Was bitte ist denn die Kahn-Klappe?
Christoph Eisenhut: Wir sollten eine Tiefgarage mit 300 Stellplätzen unter einem der Trainingsplätze zu bauen. Wie willst du einen Platz entwässern, damit der Rasen nicht fault oder vermost, wenn darunter eine Tiefgarage ist? Du kannst ja schlecht einen Gully in den Platz setzen!
Tom Ferster: Damit das Wasser auch bei strömendem Regen abfließen kann, haben wir die Decke schräg betoniert, trichterartig zu einem
großen Gully von zwei Metern Durchmesser unter dem Platz hin zulaufend. Der Gully leitet das Wasser durch die Tiefgarage ins Erdreich.
Christoph Eisenhut: Meine Männer haben gestöhnt. Jede Platte mussten wir auf eine andere Höhe setzen, auf den Zentimeter genau. Und in der Tiefgarage haben wir einige Stellplätze weggelassen und sie mit Kies befüllt, sodass an diesen Stellen das Wasser vom Fußballplatz im Erdreich versickern kann.

Tom Ferster: Dabei haben wir die Kahn-Klappe installiert. Die Tiefgarage brauchte einen Notausgang. Normalerweise kommt die Treppe mit der Tür oben auf der Wiese raus. Das ging natürlich nicht auf einem Fußballplatz, auf dem gespielt wird. Zumal es vom DFB Auflagen dazu gibt, wie weit solch eine Treppe vom Tor und von der Außenlinie weg sein muss. Nun dürfen Fluchtwege aber auch nur eine bestimmte Maximallänge haben. Also haben wir eine Klappe in den Platz eingebaut, durch die man gleich neben dem Tor aus dem Rasen herauskommt.
Christoph Eisenhut: Die Klappe ist noch immer da. Ich hätte gern mal das Gesicht von demjenigen gesehen, der durch sie flüchtet und Oliver Kahn in die Augen schaut. Wer weiß, vielleicht wäre er wieder umgedreht …
Stern des Südens: Fassadensystem RAICOTHERM A 50.
Das Stahldach und die berühmte Aluminiumfassade strahlen bis heute über dem Eingang des FCB-Universums. Zum Einsatz kam das Fassadensystem A 50 aus der ersten THERM-Generation. Es weist das gleiche konstruktive Grundprinzip wie das heutige RAICO THERM+ System auf. Dieses wurde nach Markteinführung 2004 über die Jahre in seinen Funktionseigenschaften wie beispielsweise Wärme- und Schallschutz optimiert. Grundsätzlich sind die RAICO-Systeme den gesetzlichen Anforderungen weit voraus – damals wie heute.
